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Bitte um ein gewöhnliches, noch nicht erfundenes Wort

Dies ist, worum mein Leib dich fleht:
Finde ein Wort, das noch nicht erfunden,
alltäglich, gewöhnlich, und wie Holz so schlicht,
gleich Händen, kohlgeschwärzt, urväterlich zerschunden,
unschuldig wie ein erstes Gebet, und so licht…
Finde das Wort, um das mein Leib dich fleht.

Erfinde ein Wort, das niemand noch erfand,
ein Wort, von dem – wenn es erklingt wie ein Schrei –
das Blut, sich selber nicht bewuβt, in Schmerz entbrennt,
ein Bett sich suchend, darin einzuströmen frei –
finde das Wort, das keiner noch erfand.

Ein Wort, so leise und so wahr, erfinde,
gleich aller, die gefangen, stummes Weh,
ein Wort, das wie vom Berg die jungen Frühlingswinde
in ihrem Augenstern erweckt ein Reh…
ein solches Wort, um das mein Leib dich fleht, erfinde.

Finde das Wort für Klage und Gebären.
Und dieser urtümlich im Harren erstarrte Schrein
wird dann gehorsam Einlaβ dir gewähren
und seine Pforten öffnen von allein,
findest du das Wort vom Klagen und Gebären.

Aco ŠopovUnwirklichkeit (Небиднина), 1963
Gedicht übersetzt aus dem Makedonischen von Ina Jun-Broda, Schwarze Sonne, 2012
Erstmals veröffentlicht in Literatur und Kritik, 39, October 1969, p. 525

Lesung des Originals in mazedonischer Sprache